Elektronikverguss
Vergussmassen in der Elektronikindustrie
Vergussmassen spielen eine fundamentale Rolle in der modernen Elektronikfertigung. Ihre Hauptfunktion ist der Schutz empfindlicher elektronischer Komponenten und Baugruppen vor einer Vielzahl externer Faktoren. Dazu gehören mechanische Belastungen wie Vibrationen und Stöße, Umwelteinflüsse wie Feuchtigkeit, Staub und chemische Substanzen sowie extreme Temperaturschwankungen. Darüber hinaus bieten diese Materialien elektrische Isolation, unterstützen das Wärmemanagement in leistungsstarken Anwendungen und können sogar als Manipulationsschutz dienen, indem sie das Reverse Engineering erschweren. Die Wahl der richtigen Vergussmasse ist daher entscheidend für die Zuverlässigkeit, Langlebigkeit und die Gesamtperformance elektronischer Produkte.
In der Elektronikindustrie kommen primär drei Materialklassen von Vergussmassen zum Einsatz: Silikone, Epoxide und Polyurethane. Jede dieser Materialgruppen besitzt spezifische Eigenschaften, die sie für unterschiedliche Anwendungsbereiche prädestinieren. Die Auswahl hängt stark von den jeweiligen Anforderungen an das Endprodukt ab.



Die drei Haupttypen von Vergussmassen im Vergleich
1. Silikone
Vorteile: Silikone zeichnen sich durch ihre hervorragende Temperaturbeständigkeit aus, die typischerweise von -60°C bis weit über +200°C reicht. Sie behalten ihre Eigenschaften auch bei starken Temperaturschwankungen bei. Ihre hohe Flexibilität und Elastizität sind ideal, um mechanische Spannungen, Vibrationen und Schocks abzufedern sowie thermisch bedingte Dehnungen zwischen Bauteilen und Vergussmasse auszugleichen. Silikone bieten zudem exzellente dielektrische Eigenschaften, sind hoch feuchtigkeits-, UV- und ozonbeständig und zeigen eine sehr geringe Schrumpfung während der Aushärtung, was Spannungen an den Komponenten minimiert. Ein weiterer Vorteil ist die teilweise Reparierbarkeit, da bestimmte Silikone sich entfernen lassen, um Komponenten auszutauschen.
Nachteile: Der Hauptnachteil von Silikonen sind ihre höheren Kosten im Vergleich zu Epoxiden und Polyurethanen. Ihre hohe Flexibilität geht oft zulasten der mechanischen Festigkeit, sodass sie für Anwendungen mit extrem hoher Schlag- oder Stoßbeanspruchung weniger geeignet sind. Auch können Adhäsionsprobleme auf bestimmten Substraten auftreten, was den Einsatz von Primern erfordern kann. Einige Silikone sind zudem anfällig für den Kontakt mit bestimmten Chemikalien oder Lösungsmitteln.
Typische Einsatzgebiete: Silikone sind ideal für Anwendungen in der Automobil- und Medizintechnik, bei LED-Beleuchtung, in Sensoren und Netzteilen sowie überall dort, wo extreme Temperaturen oder starke Vibrationen herrschen.
2. Epoxide
Vorteile: Epoxidharze glänzen durch ihre außergewöhnlich hohe mechanische Festigkeit und Härte, wodurch sie elektronische Baugruppen effektiv vor äußeren Einwirkungen schützen. Sie bieten eine exzellente Adhäsion auf einer Vielzahl von Materialien wie Metallen, Kunststoffen und Keramiken, was eine dauerhafte und zuverlässige Verbindung gewährleistet. Ihre Chemikalienbeständigkeit gegenüber Lösungsmitteln, Ölen und Säuren ist sehr gut. Epoxide weisen zudem gute dielektrische Eigenschaften auf und zeigen eine geringe Schrumpfung während der Aushärtung. Sie sind in der Regel kostengünstiger als Silikone.
Nachteile: Ein wesentlicher Nachteil ist ihre geringere Flexibilität, da sie nach dem Aushärten sehr hart und spröde sind. Dies kann bei thermischen Zyklen zu hohen Spannungen führen, wenn die Wärmeausdehnungskoeffizienten von Vergussmasse und Bauteilen stark voneinander abweichen. Ihre Temperaturbeständigkeit ist geringer als die von Silikonen (meist bis etwa +150°C). Epoxide sind nach dem Aushärten sehr schwer zu entfernen, was Reparaturen nahezu unmöglich macht. Die Aushärtung kann exotherm sein, d.h., es wird Wärme freigesetzt, was bei großen Vergussvolumina empfindliche Komponenten schädigen kann. Zudem können einige Härterkomponenten hautsensibilisierend wirken.
Typische Einsatzgebiete: Epoxide werden häufig in Steuergeräten, Transformatoren, Spulen, Kondensatoren und in der Leistungselektronik eingesetzt, wo ein hoher mechanischer Schutz und Chemikalienbeständigkeit gefordert sind.
3. Polyurethane
Vorteile: Polyurethane bieten eine hohe Vielseitigkeit, da ihre Flexibilität und Härte individuell angepasst werden können – von sehr weich und flexibel bis hin zu hart und zäh. Dies ermöglicht eine maßgeschneiderte Lösung für unterschiedliche Anforderungen, beispielsweise zur Vibrationsdämpfung oder für einen gewissen Stoßschutz. Sie zeigen eine gute Adhäsion auf verschiedenen Substraten und bieten solide elektrische Eigenschaften. Polyurethane sind kosteneffizienter als Silikone und viele Epoxide und weisen oft eine niedrige Viskosität auf, was ein gutes Eindringen in komplexe Geometrien und das Vergießen kleiner Bauteile ermöglicht.
Nachteile: Die Temperaturbeständigkeit von Polyurethanen ist in der Regel geringer als die von Silikonen und oft auch von Epoxiden (meist bis ca. +130°C). Sie sind feuchtigkeitsempfindlich, da die Isocyanat-Komponente mit Feuchtigkeit reagiert und zu Blasenbildung während der Aushärtung führen kann. Viele Standard-Polyurethane sind zudem nicht UV-beständig und können unter Sonnenlicht vergilben oder verspröden. Ähnlich wie Epoxide sind ausgehärtete Polyurethane schwer zu entfernen, was Reparaturen erschwert. Die Isocyanat-Komponente birgt Gesundheitsrisiken, da sie sensibilisierend wirken kann und entsprechende Schutzmaßnahmen erfordert.
Typische Einsatzgebiete: Polyurethane finden Anwendung im Leiterplattenverguss, bei Kabelbäumen, Sensoren, Batterien und in der Outdoor-Elektronik (mit UV-stabilisierten Varianten), wo eine Balance aus Schutz und Flexibilität gefragt ist.

Wichtige Anwendungshinweise für Vergussmassen
Eine erfolgreiche Anwendung von Vergussmassen hängt nicht nur von der Materialauswahl ab, sondern auch von einer sorgfältigen Verarbeitung:
- Materialauswahl und Kompatibilität: Eine präzise Definition der Anforderungen an die Vergussmasse ist unerlässlich. Dazu gehört die Prüfung der Kompatibilität mit allen zu vergießenden Bauteilen, um chemische Reaktionen oder mechanische Spannungen durch unterschiedliche Wärmeausdehnungskoeffizienten (CTE) zu vermeiden.
- Vorbereitung der Komponenten: Reinheit und Trockenheit der Oberflächen sind entscheidend für eine optimale Adhäsion. Rückstände wie Flussmittel oder Öle müssen unbedingt entfernt werden. Gegebenenfalls sind Primer oder eine Oberflächenaktivierung notwendig.
- Verarbeitungsparameter: Bei zweikomponentigen Systemen muss das Mischungsverhältnis exakt eingehalten werden. Eine Entgasung (z.B. im Vakuum) ist oft erforderlich, um Lufteinschlüsse und Blasen zu entfernen, die die Schutzfunktion beeinträchtigen können. Die Topfzeit und die Aushärtungsbedingungen (Zeit und Temperatur) müssen streng beachtet werden, um die vollständige Aushärtung und optimale Materialeigenschaften zu gewährleisten.
- Wärmemanagement: Bei exothermen Aushärtungsreaktionen (insbesondere bei Epoxiden) ist Vorsicht geboten, um eine Überhitzung der Bauteile zu verhindern. Bei wärmeabführenden Anwendungen sind wärmeleitfähige Vergussmassen mit speziellen Füllstoffen unerlässlich.
- Gesundheits- und Arbeitsschutz: Das Studium der Sicherheitsdatenblätter (SDB) ist obligatorisch. Das Tragen persönlicher Schutzausrüstung (PSA) wie Schutzhandschuhe und -brille sowie ausreichende Belüftung sind unerlässlich, insbesondere im Umgang mit reizenden oder sensibilisierenden Komponenten.
Fazit:
Silikone, Epoxide und Polyurethane sind die Eckpfeiler des Verguss-Schutzes in der Elektronik. Jedes Material hat seine spezifischen Stärken und Schwächen. Eine fundierte Materialauswahl, basierend auf dem Anforderungsprofil der Anwendung, und eine präzise, sichere Verarbeitung sind entscheidend, um die maximale Leistung und Lebensdauer elektronischer Produkte zu gewährleisten.